Zwei Frauen teilen sich den Zivilcouragepreis
Landkreis ehrt Stadtfeld-Bewohnerinnen, die einem zusammengeschlagenen Opfer zu Hilfe eilten
Von Tarek Abu Ajamieh
Hildesheim. Sie halfen einer Frau, die auf offener Straße von einem Mann verprügelt wurde: Der Landkreis Hildesheim hat am Dienstag Anna Sidorova und Erna Rennich mit seinem Zivilcouragepreis ausgezeichnet. Rennich wurde bei der Aktion selbst verletzt, Sidorova ließ sich von der Aggressivität des Täters nicht abschrecken und half. Bei der fünften Auflage wurde der Preis erstmals geteilt.
Zugetragen hatte sich das Ganze an einem dunklen Dezemberabend im vergangenen Jahr im Stadtfeld. Zunächst war es Erna Rennich, die beim Gassigehen mit ihrem Hund einen Mann bemerkte, der eine junge Frau schlug. „Leider hatte ich kein Handy dabei, um sofort die Polizei zu rufen“, erinnert sie sich. So habe sie dem Mann zugerufen, er solle aufhören. Und als er nicht reagierte, noch einmal. Darauf sei der Schläger auf sie zugestürmt und habe sie zu Boden gestoßen.
Als Heldin fühle sie sich nicht. „Ich hab’ getan, was selbstverständlich sein sollte: Ich habe versucht, einem Menschen zu helfen, der Hilfe brauchte.“ Die brutale Attacke bringe sie davon nicht ab: „Ich schaue weiterhin nicht weg. Gewalt geht weiter, wenn wir sie nicht stoppen.“
Die Gewalt an jenem Abend im Stadtfeld ging weiter, der Mann schlug wieder auf sein Opfer ein. Da kam Anna Sidorova vorbei. Und brüllte aus Leibeskräften: „Was machst du da mit der Frau?“ Das sei seine Sache, blaffte der Täter zurück, doch Sidorova schrie weiter – und der Schläger rannte davon. Sidorova eilte zu der am Boden liegenden Frau, wählte den Notruf und blieb bei der Zusammengeschlagenen, bis die Rettungskräfte eintrafen.
„Vielleicht nicht spektakulär, aber genau richtig“, sei das Verhalten der beiden Frauen gewesen, lobte Landrat Olaf Levonen gestern bei der Feierstunde in der Ausbildungswerkstatt von KSM Castings, wo Jörg Gustke die Handabdrücke der beiden in Aluminium goss. Daraus wird nun die vom Künstler Enrico Garbelmann entworfene Trophäe. „Es geht nicht darum, den Helden zu spielen und die Arbeit der Polizei zu übernehmen“, so Levonen weiter.
Polizeichef Uwe Ippensen betonte, Anna Sidorova habe gerade dadurch, dass sie das Opfer nicht allein gelassen habe, sehr geholfen. Der Preis solle auch deutlich machen, dass „die Latte gar nicht so hoch liegt, dass jeder die Möglichkeit hat, in solchen Situationen das Richtige zu tun“. Und er brachte eine Nachricht mit, die die Runde erfreute: „Der Täter ist ermittelt!“
Matthias Kaufmann, Chef der kwg, die den mit 1000 Euro dotierten Preis gestiftet hat, betonte, Sidorova und Rennich hätten „die Bereitschaft gezeigt, für demokratische und humane Werte einzustehen“. Denn die Sicherheit und Unversehrtheit des Einzelnen sei ein hohes Gut.
Ippensen merkte noch an, die beiden Hildesheimerinnen hätten bei der Preisverleihung „ein Stück weit noch einmal Zivilcourage gezeigt“. Es gehöre auch etwas dazu, sich als Vorbild hinzustellen. Mancher potenzielle Preisträger lehne das ab.
Quelle: Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 04. Dezember 2019