04. Dezember 2019

Zwei Frauen teilen sich den Zivilcouragepreis

Landkreis ehrt Stadtfeld-Bewohnerinnen, die einem zusammengeschlagenen Opfer zu Hilfe eilten

Jörg Gust­ke hilft Erna Ren­nich beim Hand­ab­druck, Anna Sido­ro­va schaut schon mal genau hin. Foto: TAREK ABU AJAMIEH

Von Tarek Abu Ajamieh

Hil­des­heim. Sie hal­fen einer Frau, die auf offe­ner Stra­ße von einem Mann ver­prü­gelt wur­de: Der Land­kreis Hil­des­heim hat am Diens­tag Anna Sido­ro­va und Erna Ren­nich mit sei­nem Zivil­cou­ra­ge­preis aus­ge­zeich­net. Ren­nich wur­de bei der Akti­on selbst ver­letzt, Sido­ro­va ließ sich von der Aggres­si­vi­tät des Täters nicht abschre­cken und half. Bei der fünf­ten Auf­la­ge wur­de der Preis erst­mals geteilt.

 

Zuge­tra­gen hat­te sich das Gan­ze an einem dunk­len Dezem­ber­abend im ver­gan­ge­nen Jahr im Stadt­feld. Zunächst war es Erna Ren­nich, die beim Gas­si­ge­hen mit ihrem Hund einen Mann bemerk­te, der eine jun­ge Frau schlug. „Lei­der hat­te ich kein Han­dy dabei, um sofort die Poli­zei zu rufen“, erin­nert sie sich. So habe sie dem Mann zuge­ru­fen, er sol­le auf­hö­ren. Und als er nicht reagier­te, noch ein­mal. Dar­auf sei der Schlä­ger auf sie zuge­stürmt und habe sie zu Boden gestoßen.

 

Als Hel­din füh­le sie sich nicht. „Ich hab’ getan, was selbst­ver­ständ­lich sein soll­te: Ich habe ver­sucht, einem Men­schen zu hel­fen, der Hil­fe brauch­te.“ Die bru­ta­le Atta­cke brin­ge sie davon nicht ab: „Ich schaue wei­ter­hin nicht weg. Gewalt geht wei­ter, wenn wir sie nicht stoppen.“

 

Die Gewalt an jenem Abend im Stadt­feld ging wei­ter, der Mann schlug wie­der auf sein Opfer ein. Da kam Anna Sido­ro­va vor­bei. Und brüll­te aus Lei­bes­kräf­ten: „Was machst du da mit der Frau?“ Das sei sei­ne Sache, blaff­te der Täter zurück, doch Sido­ro­va schrie wei­ter – und der Schlä­ger rann­te davon. Sido­ro­va eil­te zu der am Boden lie­gen­den Frau, wähl­te den Not­ruf und blieb bei der Zusam­men­ge­schla­ge­nen, bis die Ret­tungs­kräf­te eintrafen.

 

Viel­leicht nicht spek­ta­ku­lär, aber genau rich­tig“, sei das Ver­hal­ten der bei­den Frau­en gewe­sen, lob­te Land­rat Olaf Levo­nen ges­tern bei der Fei­er­stun­de in der Aus­bil­dungs­werk­statt von KSM Cas­tings, wo Jörg Gust­ke die Hand­ab­drü­cke der bei­den in Alu­mi­ni­um goss. Dar­aus wird nun die vom Künst­ler Enri­co Gar­bel­mann ent­wor­fe­ne Tro­phäe. „Es geht nicht dar­um, den Hel­den zu spie­len und die Arbeit der Poli­zei zu über­neh­men“, so Levo­nen weiter.

 

Poli­zei­chef Uwe Ippen­sen beton­te, Anna Sido­ro­va habe gera­de dadurch, dass sie das Opfer nicht allein gelas­sen habe, sehr gehol­fen. Der Preis sol­le auch deut­lich machen, dass „die Lat­te gar nicht so hoch liegt, dass jeder die Mög­lich­keit hat, in sol­chen Situa­tio­nen das Rich­ti­ge zu tun“. Und er brach­te eine Nach­richt mit, die die Run­de erfreu­te: „Der Täter ist ermittelt!“

 

Mat­thi­as Kauf­mann, Chef der kwg, die den mit 1000 Euro dotier­ten Preis gestif­tet hat, beton­te, Sido­ro­va und Ren­nich hät­ten „die Bereit­schaft gezeigt, für demo­kra­ti­sche und huma­ne Wer­te ein­zu­ste­hen“. Denn die Sicher­heit und Unver­sehrt­heit des Ein­zel­nen sei ein hohes Gut.

 

Ippen­sen merk­te noch an, die bei­den Hil­des­hei­me­rin­nen hät­ten bei der Preis­ver­lei­hung „ein Stück weit noch ein­mal Zivil­cou­ra­ge gezeigt“. Es gehö­re auch etwas dazu, sich als Vor­bild hin­zu­stel­len. Man­cher poten­zi­el­le Preis­trä­ger leh­ne das ab.

 

Quel­le: Hil­des­hei­mer All­ge­mei­ne Zei­tung, 04. Dezem­ber 2019

Veröffentlicht unter 2019