22. April 2016

Der alte Tresor sucht noch neuen Mieter

Kreiswohnbau saniert den Gebäudekomplex zwischen Kaiserstraße und Speicherstraße und zieht dann selbst ein

Die Bauarbeiten haben begonnen: Das alte Kreishaus in der Kaiserstraße 15 soll saniert und zu einem modernen Bürogebäude umgebaut werden. Fotos: Kaiser

Die Bau­ar­bei­ten haben begon­nen: Das alte Kreis­haus in der Kai­ser­stra­ße 15 soll saniert und zu einem moder­nen Büro­ge­bäu­de umge­baut wer­den. Fotos: Kaiser

Von Mari­ta Zimmerhof

Hil­des­heim. Im Dach­ge­schoss haben die Hand­wer­ker bereits gan­ze Arbeit geleis­tet. Mit Atem­mas­ke vor dem Gesicht und Vor­schlag­häm­mern in der Hand haben sie die alten Rigips­de­cken abge­schla­gen und das stau­bi­ge Gebälk dahin­ter frei­ge­legt. Den­noch sind die Räu­me auch jetzt noch so flach, dass groß­ge­wach­se­ne Män­ner unwei­ger­lich den Kopf ein­zie­hen, wenn sie die­ses Stock­werk betre­ten. Nun aber will die Kreis­wohn­bau (KWG) das alte Kreis­haus in der Kai­ser­stra­ße vom Muff der Nach­kriegs­jah­re, der hier noch über­all spür­bar ist, befrei­en und zu einem moder­nen Büro­haus umbauen.

 

Bevor 1989 das neue Kreis­haus in der Bischof-Jans­sen-Stra­ße ent­stand, wur­den von hier aus über fast vier Jahr­zehn­te die Geschi­cke des Land­krei­ses gesteu­ert. Das Gebäu­de, das Zugän­ge sowohl von der Kai­ser­stra­ße als auch von der Spei­cher­stra­ße hat, ist aber weit älter: Der ers­te Teil stammt aus der Zeit um 1910. 1928 und 1938 wur­de es erwei­tert, 1952 dann auch die Dach­ter­ras­se, die sich bis dahin noch über dem turm­ar­ti­gen Erker an der Gebäu­de­spit­ze befand, mit Büro­flä­che überbaut.

 

Seit dem Aus­zug der meis­ten Ver­wal­tungs­ein­hei­ten aber ist die Zeit hier nahe­zu ste­hen­ge­blie­ben. Gespren­kel­ter Stra­gu­la auf dem Boden, klo­bi­ge Rip­pen­heiz­kör­per an der Wand und abge­tre­te­ne Schwel­len vor den Zim­mer­tü­ren. Zuletzt hat das Job­cen­ter eini­ge Räu­me belegt, ist Ende März aber in den Hohen Weg umge­zo­gen. Nur der Kreis­jä­ger­meis­ter hat am hin­ters­ten Ende der neu­en Groß­bau­stel­le noch drei Zimmer.

 

Als der Land­kreis vor fünf Jah­ren über die wei­te­re Nut­zung des weit­läu­fi­gen Gebäu­des nach­sann, war Land­rat Rei­ner Weg­ner schnell klar, dass ein sol­ches Mam­mut­pro­jekt in die Hän­de von Pro­fis gehört. „Der Inves­ti­ti­ons­be­darf ist erheb­lich.“ Da pass­te es gut, dass die Kreis­wohn­bau als größ­tes Woh­nungs­bau­un­ter­neh­men im Land­kreis mit einem neu­en Fir­men­sitz lieb­äu­gel­te. Ihre Zen­tra­le in der Kai­ser­stra­ße 21 ist eben­falls nicht mehr zeit­ge­mäß, die Büros der 22 hier beschäf­tig­ten Mit­ar­bei­ter erstre­cken sich über vier Eta­gen, von denen kei­ne ein­zi­ge bar­rie­re­frei zu errei­chen ist. „Aus­ge­rech­net für ein Woh­nungs­bau­un­ter­neh­men, wo auch Müt­ter mit Kin­der­wa­gen und Senio­ren mit Rol­la­to­ren hin­kom­men, sehr ungüns­tig“, sagt Geschäfts­füh­rer Mat­thi­as Kaufmann.

 

Für eine öffent­lich nicht genann­te Sum­me wech­sel­te das Kreis­haus in die Hän­de der KWG, bei der der Land­kreis ohne­hin Mehr­heits­ge­sell­schaf­ter ist. In einem ers­ten Schritt wur­de an der Spei­cher­stra­ße ein glä­ser­ner Fahr­stuhl ein­ge­baut, der in sei­ner moder­nen Anmu­tung momen­tan noch wie ein Send­bo­te aus der Zukunft aus­sieht. Erheb­li­ches Geld floss auch in den Brand­schutz. Und schließ­lich muss­te die KWG außer­plan­mä­ßig eini­ges Geld für die Gebäu­de­si­che­rung aus­ge­ben: Der hin­te­re Teil des alten Kreis­hau­ses steht auf nicht trag­fä­hi­gem Grund im Ein­fluss­be­reich der Trei­be. Dau­men­brei­te Ris­se zogen sich an vie­len Stel­len des Hau­ses durch das Mau­er­werk. Der Unter­grund ist nun sta­bi­li­siert, der Pro­zess sei damit gestoppt, ver­si­chert Archi­tekt Mat­thi­as Jung, der die Pro­jekt­pla­nung über­nom­men hat.

 

So sehen die Pläne von Architekt Matthias Jung aus: Die Fassade wird in Teile gegliedert, die Dachgauben werden erneuert.

So sehen die Plä­ne von Archi­tekt Mat­thi­as Jung aus: Die Fas­sa­de wird in Tei­le geglie­dert, die Dach­gau­ben wer­den erneuert.

1,5 Mil­lio­nen Euro hat die KWG bereits inves­tiert, wei­te­re 2,5 Mil­lio­nen Euro sol­len noch fol­gen. Dafür bekommt das Kreis­haus eine neue, moder­ne Fas­sa­de, die optisch in meh­re­re Berei­che aus hel­lem Putz und Klin­ker geglie­dert ist. Die win­zi­gen Dach­gau­ben wer­den gegen brei­te Fens­ter­fron­ten aus­ge­tauscht, und auch die alte Dach­ter­ras­se soll andeu­tungs­wei­se wie­der zu sehen sein: Das obers­te Stock­werk wird ange­ho­ben, etwas zurück­ge­setzt und mit einem Flach­dach ver­se­hen. Vor einem brei­ten Fens­ter­band soll es einen Umlauf an der fri­schen Luft geben.

 

Der heute noch kahle Innenhof soll zu einem Gärtchen werden und zugleich viel Licht in die Innenbüros leiten.

Der heu­te noch kah­le Innen­hof soll zu einem Gärt­chen wer­den und zugleich viel Licht in die Innen­bü­ros leiten.

Beson­ders gespannt sind Kauf­mann, Wege­ner und der KWG-Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­de Klaus Bruer auf Jungs Plä­ne für den klei­nen Innen­hof: Bis­lang blickt man von hier aus auf die blät­tern­de Far­be der Fas­sa­de, auf alte Lei­tun­gen über Putz. Jung will die Flä­che begrü­nen, die Fens­ter zum Hof gegen boden­tie­fe Schei­ben aus­tau­schen, um so Son­nen­licht ins Gebäu­de zu brin­gen und zugleich den Wohl­fühl­fak­tor zu erhö­hen. „Hier wür­de sich ja auch ein klei­ner Spring­brun­nen gut machen“, scherzt Weg­ner bei der Ortsbesichtigung.

 

Das Dach­ge­schoss wird die Kreis­wohn­bau selbst bezie­hen, im ers­ten Ober­ge­schoss will der Land­kreis Tei­le der Kreis­ver­wal­tung unter­brin­gen – die über die „Beam­ten­lauf­bahn“ in der Spei­cher­stra­ße tro­cke­nen Fußes das Haupt­ge­bäu­de errei­chen kann. Für das Erd­ge­schoss und das zwei­te Ober­ge­schoss sucht Kauf­mann noch Mie­ter: Jede Eta­ge hat 600 Qua­drat­me­ter Flä­che, kann als Gan­zes oder zu Tei­len gemie­tet wer­den. „Wir füh­ren bereits Gesprä­che mit ers­ten Interessenten.“

 

Im Kel­ler hat der KWG-Chef sogar noch eine ganz beson­de­re Lie­gen­schaft anzu­bie­ten: den alten Tre­sor­raum, in dem der Land­kreis einst wich­ti­ge Doku­men­te wie Päs­se gela­gert hat. Der Raum hin­ter der schwe­ren Stahl­tür mit Zah­len­schloss und Siche­rungs­bol­zen misst statt­li­che 60 Qua­drat­me­ter und ist trotz sei­ner Kel­ler­la­ge pulvertrocken.

 

Über der Eingangstür gibt es ein Fensterbild mit den Wappen der Gemeinden. Es entstand 1951 von einem Künstler Aue.

Über der Ein­gangs­tür gibt es ein Fens­ter­bild mit den Wap­pen der Gemein­den. Es ent­stand 1951 von einem Künst­ler Aue.

Was aus dem ehe­ma­li­gen Sit­zungs­saal wird, ist noch nicht ent­schie­den. Das Wür­fel­par­kett ist abge­tre­ten, die bei­den gro­ßen Rad­leuch­ter unter der Decke ent­spre­chen nicht mehr heu­ti­gem Geschmack. Und die leicht ange­ros­te­ten Fah­nen­hal­ter an den klei­nen Bal­ko­nen braucht ein Immo­bi­li­en­un­ter­neh­men auch nicht wirk­lich. Noch sind nicht alle Details ent­schie­den. In den kom­men­den sechs Wochen wird jeden­falls noch kräf­tig ab- und ein­ge­ris­sen – ehe dann der Wie­der­auf­bau beginnt. Im März 2017 soll der Umbau abge­schlos­sen sein. Spä­tes­tens dann muss sich Kauf­mann über­le­gen, wie er die alte KWG-Geschäfts­stel­le ver­wer­ten will.

 

Quel­le: Hil­des­hei­mer All­ge­mei­ne Zei­tung, 21. April 2016

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