15. Juni 2012

Wohnungen: „Defizit“ oder „Punktlandung“

Analyse des Pestel-Instituts für den Landkreis Hildesheim stößt auf geteiltes Echo bei Verantwortlichen

Kreis Hil­des­heim (abu). Im Land­kreis Hil­des­heim feh­len im Jahr 2017 rund 260 Miet­woh­nun­gen, wenn der Woh­nungs­bau im Land­kreis Hil­des­heim nicht deut­lich zulegt. Zu die­sem Ergeb­nis kommt das Pest­el-Insti­tut Han­no­ver in einer jetzt vor­ge­leg­ten Stu­die. „Es droht eine enor­me Lücke, bezahl­ba­re Woh­nun­gen könn­ten zur Man­gel­wa­re wer­den“, sagt Insti­tuts- Chef Mat­thi­as Günther.

 

Vor allem im Nord­kreis, wie hier in Sar­stedt, könn­te es noch mehr Woh­nun­gen geben, meint das Pestel-Institut.

Auf Nach­fra­ge äußer­te er sich aller­dings deut­lich dif­fe­ren­zier­ter. So gebe es im süd­li­chen Land­kreis eher zu vie­le Woh­nun­gen. „Da sit­zen vie­le Leu­te mit unver­käuf­li­chen 250-Qua­drat­me­ter-Häu­sern, das Pro­blem wird von der Poli­tik bis­her völ­lig igno­riert“, so Gün­ther. Woh­nungs­man­gel dro­he eher im nörd­li­chen Land­kreis, beson­ders in Sar­stedt, sowie teil­wei­se in der Stadt Hil­des­heim. Dar­auf bezieht der Wis­sen­schaft­ler auch sein Urteil: „Die größ­te Bau­sün­de war, dass zu wenig gebaut wur­de.“ Das Pest­el-Insti­tut war­ne des­halb vor einer „Über­al­te­rung der Bausubstanz“.

 

Der Land­kreis Hil­des­heim reagiert inter­es­siert, aber gelas­sen: „Wenn bei 140000 Haus­hal­ten 260 Woh­nun­gen feh­len, ist das ja fast eine Punkt­lan­dung. Das Defi­zit kann man in Pro­zent gar nicht aus­drü­cken“, fin­det Ord­nungs-Fach­dienst­lei­ter Jür­gen Flo­ry. „In den Zah­len des Pest­el-Insiti­tuts kann ich kei­ne Dra­ma­tik erken­nen.“ Gleich­wohl sei die Ana­ly­se der Han­no­ve­ra­ner For­scher sehr auf­schluss­reich. „In den ver­gan­ge­nen Jah­ren ist der Geschoss­bau eher aus den Bebau­ungs­plä­nen ver­schwun­den. Die Stu­die kann durch­aus Anreiz sein, sich zumin­dest in eini­gen Berei­chen des Land­krei­ses wie­der um Woh­nungs­bau auch inNeu­bau­ge­bie­ten zu bemühen.“

 

Auch Kreis­wohn­bau-Geschäfts­füh­rer Mat­thi­as Kauf­mann als Chef des größ­ten Ver­mie­ters in der Regi­on liest die Stu­die mit gro­ßem Inter­es­se: „Dass 260 Woh­nun­gen im Land­kreis feh­len, kann ich so pau­schal über­haupt nicht unter­schrei­ben“, betont er. „Da muss man schon regio­nal gucken. Bedarf gebe es frag­los in Sar­stedt, Gie­sen, Har­sum oder Alger­mis­sen: „Dort haben wir Voll­ver­mie­tung, also weni­ger als drei Pro­zent Leer­stand“, erklärt er. In Städ­ten wie Bocke­nem, Gro­nau, Bad Salz­det­furth oder Alfeld sehe es ordent­lich aus. „In den klei­ne­ren Süd­kreis-Samt­ge­mein­den tut man sich als Ver­mie­ter aber extrem schwer, da fehlt bestimmt nichts.“

 

In den Nord­kreis-Kom­mu­nen und in Hil­des­heim sei­en hin­ge­gen auch Neu­bau­ten denk­bar. „Wobei man genau auf­pas­sen muss, was man baut. So ist die Nach­fra­ge nach alters­ge­rech­ten Woh­nun­gen extrem groß, das wird uns wei­ter beschäf­ti­gen“, deu­tet Mat­thi­as Kauf­mann an. Ihn beschäf­tigt auch noch etwas ande­res: „Nach einer Ana­ly­se der Fir­ma Techem ver­brau­chen die Woh­nun­gen im Land­kreis Hil­des­heim über­durch­schnitt­lich viel Heiz­ener­gie. Das soll­te alle Ver­mie­ter nach­denk­lich machen.“

 

Das Nord-Süd-Gefäl­le sieht auch Pest­el-Chef Gün­ther. „Hin­zu kommt aber zuneh­mend auch ein Stadt-Land-Gefäl­le. Leu­te zie­hen nicht mehr aufs Land, weil ihnen die Mobi­li­tät zu teu­er ist.“ Den­noch kön­ne es sein, dass der Woh­nungs­man­gel in Hil­des­heim nur tem­po­rär sei. „Der­zeit wirkt sich die Uni­ver­si­tät aus. Doch wenn Ende des Jahr­zehnts die Jahr­gän­ge klei­ner wer­den, kann die­ser Effekt sich abschwächen.“

 

Auf­trag­ge­ber der Pest­el-Stu­die waren der Deut­sche Mie­ter­bund, die Gewerk­schaft IG BAU, der Bun­des­ver­band Deut­scher Bau­stoff-Fach­han­del sowie die Deut­sche Gesell­schaft für Mau­er­werks- und Woh­nungs­bau. Also lau­ter Ver­bän­de, die ein wirt­schaft­li­ches Inter­es­se dar­an haben, dass mehr gebaut wird. Für das Pest­el-Insti­tut ist das aller­dings kein The­ma. „Ers­tens set­zen die sich nor­ma­ler­wei­se gar nicht an einen Tisch, haben sich erst im Zuge der Abwrack­prä­mie zusam­men­ge­fun­den, um auch etwas für die Woh­nungs­wirt­schaft zu errei­chen“, betont er. Zudem kann er dar­auf ver­wei­sen, dass sein Insti­tut für vie­le Regio­nen kei­ner­lei Bedarf an Woh­nungs­bau fest­ge­stellt hat, dar­un­ter auch fast alle Hil­des­hei­mer Nachbar-Landkreise.

 

Quel­le: Hil­des­hei­mer All­ge­mei­ne Zei­tung, 15. Juni 2012

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