Kuh-Skelett bremst Kreiswohnbau aus
Jahrhundertealter Fund ist ein Hinweis auf ein „Bauopfer“ aus dem 17. Jahrhundert
Von Tarek Abu Ajamieh
Elze. Der Bau der Argentum-Wohnanlage im Stadtzentrum verzögert sich – aufgrund eines ungewöhnlichen Fundes: Bauarbeiter haben auf dem Areal zwischen Hauptstraße und Königsberger Straße das bestens erhaltene Skelett einer Kuh freigelegt. Die Anordnung der Knochen lässt den Schluss zu, dass das obendrein trächtige Tier regelrecht bestattet worden ist. Ersten Schätzungen zufolge stammt das Gerippe aus dem 17. Jahrhundert – und deutet auf einen damals weit verbreiteten blutigen Brauch hin.
Die Entdeckung des Skelettes meldete die Kreiswohnbau gestern. Das Unternehmen baut an der Stelle eine seiner „Argentum“-Wohnanlagen. 17 seniorengerechte Wohnungen sollen dort entstehen, die ersten Mieter Anfang nächsten Jahres einziehen. Rund 6,5 Millionen Euro lässt sich die Firma das Projekt kosten, für das mehrere alte Gebäude abgerissen wurden.
Bevor allerdings das neue Gebäude entstehen kann, hatten erst einmal die Archäologen das Sagen. Sie hatten wie berichtet unter anderem einen gemauerten Brunnen und Spuren eines Brauofens aus dem 17. Jahrhundert entdeckt. Das hatte die Fachleute vermuten lassen, dass an der Stelle eine gut gestellte Bürgerfamilie lebte – denn das Braurecht bekam nicht jeder.
Die These, dass auf der heutigen Argentum-Baustelle einst gut betuchte Elzer ein Eigenheim errichteten, wird durch den aktuellen Skelettfund untermauert. Denn vieles spricht dafür, dass es sich um ein sogenanntes Bauopfer handelt. Bis ins 18. Jahrhundert hinein war es nicht unüblich, vor Baubeginn ein Tier zu opfern – ein Brauch, der auf mittelalterlichen Aberglauben zurück geht, wonach sich auf diese Weise böse Geister von der neuen Immobilie fernhalten lassen würden.
Häufig wurden die betreffenden Tiere – meist Hunde – lebendig begraben, auch im Fall der Elzer Kuh könnte es so gewesen sein. Dass vor dem Bau ein derart wertvolles, noch dazu trächtiges Tier sterben musste, macht es umso wahrscheinlicher, dass die damaligen Bauherren für damalige Verhältnisse ziemlich wohlhabend waren.
Fachleute haben das Kuh-Skelett inzwischen fotografiert, vermessen, gesäubert, in Kisten verpackt und für weitere Untersuchungen an den Landeskonservator nach Hannover geschickt. Die Kreiswohnbau rechnet mit vier Wochen Verzögerung durch die archäologischen Funde. Der zuständige Centerleiter Marc Thoma hofft aber, dass die Bauarbeiter die Zeit wieder aufholen können und sich am geplanten Eröffnungstermin nichts ändert.
Das Wohnungsbau-Unternehmen hat nach bisherigen Erkenntnissen jedenfalls nicht vor, sein Argentum durch ein weiteres Tieropfer vor bösen Geistern zu schützen. Denkbar ist aber eine Grundsteinlegung mit den heute üblichen Beigaben – Münzen und eine aktuelle Tageszeitung etwa.
Quelle: Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 25. Februar 2017