Alles unter einem Dach
Ausstellung bei der Kreiswohnbau in Sarstedt: HAWK-Studenten entwerfen Architektur für Generationen „Am Alten Markt“ in Hildesheim
Sarstedt/Hildesheim (hüb). Ein Haus wie ein Maßanzug, zugeschnitten auf alle Bewohner – auf Familien, Senioren und Singles. Knapper gesagt, „Miteinander – füreinander“.
So haben auch Lawa Yusuf und Helen Gutzmann ihr Mehr-Generationen- Wohnprojekt am „Alten Markt“ im Hildesheimer Michaelisviertel genannt. Vier Monate haben die beiden 22-jährigen Architekturstudentinnen der HAWK an ihrem Entwurf gearbeitet. Herausgekommen sind drei- bis viergeschossige Stadthäuser und ein Seniorenwohnhaus im Grünen.
Gestern haben sie und elf weitere Kommilitonen aus dem fünften Semester in den Räumen der Kreiswohnbau an verschiedenen Modellen und Schautafeln ihre Visionen für das 7500 Quadratmeter große Grundstück gezeigt – eine Ergänzung zum städtebaulichen Wettbewerb 2012 (diese Zeitung berichtete). Sechs Architekturbüros hatten sich im Auftrag der Kreiswohnbau Gedanken über eine Bebauung des Areals im Michaelisviertel gemacht. Der Siegerentwurf stammte von der Planungsgemeinschaft Nord (PGN) aus Rotenburg (Wümme). Nun waren die Studenten dran, das Spektrum an Ideen zu erweitern – mit flexiblen Grundrissen und puristischer Transparenz spielten die Fachhochschüler.
Doch es geht nicht nur um Architektur. Denn selbst das schönste Haus hilft nicht gegen Vereinsamung. Wenn es nach Irina Schmitlein, Simone Wagner und Angelina Preibisch geht, heißt es daher für die Bewohner ihres Wohnkomplexes: Raus in die Natur. Hochbeete laden zur Gartenarbeit ein, zahlreiche Bänke in der Anlage zum Verweilen, ein Spielplatz und ein Bambuslabyrinth zum Toben stehen für die Kinder bereit. Für die Studentinnen steht Begegnung ganz oben auf der Prioritätenliste.
Das Motto ihres Entwurfes heißt deshalb nicht ohne Grund „Gemeinsam nie einsam“. Der Großteil ihrer geplanten Wohnungen ist zwischen 40 und 60 Quadratmeter groß. Für Kreiswohnbau-Geschäftsführer Matthias Kaufmann ist das ein wichtiger Aspekt: „In Hildesheim gibt es ein Defizit an kleinen Wohnungen.“ Die Familienverbände schrumpfen. Anders als noch vor 50 Jahren lebten heute im Schnitt zwei Personen in einem Haushalt – Tendenz fallend. Am Alten Markt biete sich daher eine einzigartige Entwicklungsmöglichkeit.
Vielleicht ist dort auch Platz für die „Schlangenförmigen Gärten“ von Wenting Zha, Xiaofeng Deng und Yi Fan. Das Wohnkonzept der drei jungen Frauen sieht eine Grünanlage in Form eines Baumes mit verzweigten Wegen vor. Die Natur holen sie auch direkt ins Wohnzimmer. Denn transparente Wintergärten und Treppenhäuser lassen viel Licht in die vier Wände – ideal für Familien.
Und die hat besonders Annegret Droste im Blick. Die Professorin der Fakultät Bauen und Erhalten an der HAWK wünscht sich für Familien bezahlbaren Wohnraum in der Innenstadt. Viele Eltern mit Kindern ziehe es aus finanziellen Gründen in die Vorstädte, mit der Folge, dass die Ortsränder zersiedelten. Keiner wisse, wo die Stadt aufhöre und der Landkreis anfange. „Eine unselige Entwicklung“, findet Droste. Wohnraum im Michaelisviertel zu etablieren, findet sie deshalb „genial“. Und eine Chance, junge Menschen zurück in die Stadt zu holen.
Wohnraum für wenig Geld ist auch im Sinne von Isabel Müller und Juliane Straßburger. Und nicht nur das: Der „Alte Markt“ soll vor allem öffentlich sein. Ein großer Veranstaltungsraum, eine Boutique, ein Kiosk, ein Bäcker und ein Café sollen das Quartier beleben. Eben „Der Grüne Punkt“, wie sie ihr Exposé genannt haben. Und fast alle Modelle haben sich eines Problems angenommen: dem Parkplatzmangel. So hat jeder Wohnkomplex auch vollflächige Tiefgaragen.
„Sie können sich sicher sein, dass die Entwürfe in die Planungen zum Michaelisviertel eingebracht werden“, versprach Kaufmann den Studenten.
Noch bis zum 17. April ist die Ausstellung „Mehr-Generationen-Wohnen in der Innenstadt von Hildesheim. Wohnbauten für den Demografischen Wandel“ in den Räumen der Kreiswohnbau, Lönsstraße 4 in Sarstedt zu sehen.
Quelle: Sarstedter Anzeiger der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung, 28. März 2013