Als drei Zimmer noch 56,40 Mark kosteten
Langjährige Mieter der Kreiswohnbau werden geehrt – und erinnern sich an alte Zeiten
Kreis Hildesheim (mv). August und Klara Schweckendieck aus Bad Salzdetfurth haben viele Nachbarn kommen und gehen sehen. Schließlich lebt das Paar seit 58 Jahren in derselben Wohnung im Dörenberg 3. Damit zählen die Schweckendiecks zu den ganz treuen Mietern der Kreiswohnbau, die nun von Geschäftsführer Matthias Kaufmann im Stadttheater geehrt wurden.
Insgesamt 74 Mietparteien standen auf der Gästeliste. Das waren noch Zeiten: Eine Drei-Zimmer-Wohnung kostete 56,40 Mark. An diesen für heutige Verhältnisse traumhaften Bedingungen können sich August und Klara Schweckendieck noch ziemlich genau erinnern. Fast auf den Tag vor 58 Jahren zog das Ehepaar am 1. Mai 1953 in die Erdgeschosswohnung im Dörenberg ein. Ihr altes Zuhause in der Salzpfännerstraße war wegen der drei Kinder zu klein geworden.
Ähnlich wie den Schweckendiecks erging es rund ein Jahr später auch demEhepaar Friedrich und Lieselotte Büsse. Das Ehepaar bezog am 15. September 1954 seine Wohnung in Hildesheim. Die Büsses mussten damals sogar noch einen Mietzuschuss in Höhe von 2000 Mark leisten. Für damalige Verhältnisse eine gigantische Summe, die das junge Paar nicht allein stemmen konnte. Lieselottes Mutter half aus. Aber bei dieser finanziellen Hürde blieb es nicht.
Die Kreiswohnbau vermietete seinerzeit nur an verheiratete Paare. „Und so kames, wie es kommen musste, einen Tag vor dem Einzug hatten wir uns dann halt das Ja- Wort gegeben.“
Friedrich Büsse und August Schweckendieck sind Bergleute im Ruhestand. Für die Kumpel bei Kali und Salz hat sich die Kreiswohnbau in ihren Anfangsjahren besonders engagiert. Zum einen war das Bergbauunternehmen Gesellschafter, auf der anderen Seite galten die Bergleute als zuverlässige und solvente Mieter. Oft hatten die Mieter auch mit den Tücken der damaligen Bauweise zu kämpfen. Denn die Wohnung der Schweckendiecks erwies sich als sehr hellhörig, was vor allem für die Männer vom Kaliwerk ein Problem war. Denn sie mussten nach der Nachtschicht ihre Ruhe finden. „Wir haben sehr viel Rücksicht aufeinander genommen“, erinnert sich Klara Schweckendieck.
Die strengen Regeln im Haus galten natürlich auch für die eigenen Kinder, die sich dann gern mit den Freunden aus der Nachbarschaft in der Waschküche oder im Hof zum Spielen getroffen haben. Nein, ein eigenes Haus zu bauen, so wie viele Kollegen, das kam für Familie Schweckendieck nicht in Frage: „Wir wollten einfach nicht, dass sich die Kinder wegen des Erbes streiten.“ Auch die Büsses wohnten mit fünf Personen auf „engem Raum“. Lieselotte Büsse schlief damals im Wohnzimmer, Friedrich mit den zwei Söhnen im Schlafzimmer und im dritten Zimmer lebte die Großmutter. Nun wohnen Friedrich und Lieselotte allein, aber immer noch in derselben Wohnung im zweiten Obergeschoss des Sieben-Familien-Eckhauses. Besonders freuen sie sich darüber, dass den ganzenTag die Sonne hereinscheint. Unvergessen sind die Tücken der Technik:
Schweckendiecks Zwei-Platten-Herd ließ jedes Mal die Hauptsicherung durchbrennen, sobald im Haus noch ein zweites elektrisches Gerät im Einsatz war. „Dann haben wir uns abgesprochen, wann wer kochen darf“, erläutert die Hausfrau. EinWegzug aufs Land kamfür die Büsses aus Hildesheim nie in Frage. Nicht in den Anfangsjahren, als Friedrich mit dem Fahrrad zum Kaliwerk nach Bad Salzdetfurth gefahren ist, um dort seine Studienarbeit für die Uni in Clausthal- Zellerfeld vorzubereiten. Auch nicht später, als er im Kaliwerk Giesen arbeitete. Und schon gar nicht heute, weil sie die kurzen Wege und die gewohnte Nachbarschaft in Hildesheim schätzen.
Matthias Kaufmann freut sich über soviel Verbundenheit zur Kreiswohnbau. „Ich möchte mich persönlich bei unseren treuesten Mietern bedanken.“ Die über 70 Mietparteien stünden für fast 3000 Jahre Kundenbindung.
Quelle: Hildesheimer Allgemeinen Zeitung, 06. Mai 2011