Vorauseilender Ungehorsam
Ob „Street View“ je nach Hildesheim kommt, ist offen – Kreiswohnbau bringt sich dennoch in Stellung
Landkreis. Apple, Google, Sony – die Nachrichten über den Missbrauch von Kundendaten nehmen kein Ende. Während Apple-Geräte wie das iPhone und das iPad angeblich Bewegungsprofile ihrer Nutzer erstellen und bei Sony sensible Kundendaten von sogenannten Hackern gestohlen wurden, gilt Google schon länger als Konzern, der die Informations-Allmacht anstrebt. Über die Zukunft des Dienstes Google Street View waren zuletzt widersprüchliche Meldungen im Umlauf. Gleichwohl will sich die Kreiswohnbau Hildesheim als erstes Wohnungsunternehmen in Stadt und Landkreis Hildesheim des Themas annehmen und seinen Mietern Hilfestellung beim Unkenntlichmachen ihrer Wohnungen geben.
Der Versuch, Google die Abbildung der Kreiswohnbau-Objekte generell zu untersagen, war zuvor gescheitert. Entsprechende Anträge dürften nur „natürliche Personen“ stellen, so Google – also jeder einzelne Mieter. Die Kreiswohnbau als Unternehmen ist im Behördendeutsch hingegen eine „juristische Person“. Die Kreiswohnbau könne aber „in Stellvertretung“ für natürliche Personen handeln, schreibt die deutsche Google- Außenstelle. Genau das will Kreiswohnbau- Geschäftsführer Matthias Kaufmann jetzt in Angriff nehmen. Im nächsten Kundenmagazin, das an alle 4.400 Mieter verteilt wird, soll ein Vordruck enthalten sein, mit denen die Mieter die Kreiswohnbau ermächtigen können, bei Google das Unkenntlichmachen ihrer Wohnung zu beantragen.
Dabei ist völlig unklar, wann und ob Hildesheim und Umgebung überhaupt bei Street View erscheinen. Im November begann Google damit, die 20 größten Städte in Deutschland, darunter Hannover, im Netz abzubilden. Bis Ende Mai sollen die Autos mit den aufgesetzten Kameras zwar erneut unterwegs sein – auch Hildesheim steht auf der nicht näher terminierten Reiseroute. Laut Google sollen damit aber lediglich die Karten für die Navigation des Dienstes Google Maps verbessert werden. „Wir haben derzeit keine Pläne, die aufgenommenen Bilder in Street View darzustellen“, so Raphael Leiteritz, Produkt-Manager bei Google Maps.
In der Netzgemeinde begann daraufhin die Gerüchteküche zu brodeln. Mancheiner vermutete, Google sei wegen der anhaltenden Proteste von Politikern, Datenschützern und Hausbesitzern die Lust an einem deutschen Street-View-Projekt vergangen. Rund 244.000 Deutsche hatten beantragt, ihre Häuser unkenntlich zu machen. Andere Fachleute vermuten wiederum, Google pausiere, um abzuwarten, welche Strategie der Konkurrent Microsoft verfolgt. Microsoft plant mit Bing Maps Streetside einen eigenen Dienst und schickt seine Kamera-Autos ab dem 9. Mai zunächst nach Nürnberg, Fürth, Erlangen und Augsburg.
Die Kreiswohnbau hat mit ihrer kritischen Haltung allerdings nicht nur das Wohl der Mieter, sondern auch die eigenen Geschäftsinteressen im Blick. „Nachher fährt das Google-Auto ausgerechnet dann an einem unserer Objekte vorbei, wenn davor eine Baustelle ist. Dann steht das so zehn Jahre im Internet“, nennt Kaufmann ein Beispiel. Der Beamten- Wohnungs-Verein (BWV) und die Gemeinnützige Baugesellschaft GBG haben dagegen noch keine Schritte eingeleitet. „Es gibt bislang auch keine Kundennachfragen“, sagt Lars Meyer vom BWV. GBG-Sprecher Frank Satow erklärt, man habe im Zuge des Starts von Google Street View in Hannover zwar über das Thema gesprochen, sehe aber noch keinen Handlungsbedarf.
Quelle: Kehrwieder am Sonntag, 01. Mai 2011