25. Oktober 2012

Zu wenig Sozialwohnungen?

Studie des Pestel-Instituts sorgt für Widerspruch bei der Wohnungswirtschaft

Kreis Hil­des­heim (abu). Gibt es in Land­kreis Hil­des­heim zu wenig Sozi­al­woh­nun­gen? Die­se The­se stellt das Pest­el-Insti­tut in Han­no­ver auf – und pro­vo­ziert damit – wenig über­ra­schend – Wider­spruch in der ört­li­chen Wohnungs-Wirtschaft.

 

Gibt es genug Sozialwohnungen in der Region? Darüber gehen die Meinungen auseinander.

Gibt es genug Sozi­al­woh­nun­gen in der Regi­on? Dar­über gehen die Mei­nun­gen auseinander.

Men­schen mit schma­lem Geld­beu­tel dro­hen mehr und mehr vom Woh­nungs­markt im Land­kreis Hil­des­heim abge­kop­pelt zu wer­den.“ Mit die­ser The­se sorgt Mat­thi­as Gün­ther, Lei­ter des Pers­tel-Insti­tuts in Han­no­ver, für Auf­se­hen. Sei­ner Ana­ly­se zufol­ge haben 25270 Haus­hal­te im Land­kreis Anspruch auf eine Sozi­al­woh­nung. Dar­un­ter sei­en vor allem Hartz-IV- und Wohn­geld-Bezie­her, aber auch Berufs­un­fä­hi­ge sowie älte­re Men­schen, die auf die staat­li­che Grund­si­che­rung ange­wie­sen sind. Das Pest­el-Insti­tut bricht die Zah­len nicht auf den Land­kreis her­un­ter, Gün­ther stellt aller­dings fest: Lan­des­weit ste­hen nur für 19 Pro­zent der betrof­fe­nen Haus­hal­te Sozi­al­miet­woh­nun­gen zur Verfügung“.

 

Der Ver­band der Woh­nungs­wirt­schaft (VDW), auf des­sen Stel­lung­nah­me zu dem The­ma die städ­ti­sche Hil­des­hei­mer Bau­ge­sell­schaft gbg ver­weist, keilt hef­tig zurück: „Die Schät­zun­gen des Pest­el-Insti­tuts schie­ßen völ­lig übers Ziel hin­aus“, wet­tert Nie­der­sach­sens VDW-Chef Bernd Mey­er. Es gehe offen­bar nur dar­um, „die Situa­ti­on am Woh­nungs­markt zu dra­ma­ti­sie­ren“. Das Pest­el-Insti­tut zeich­ne „ein völ­lig ver­zerr­tes Bild“.

 

Sicher sto­ßen da auch Inter­es­sen auf­ein­an­der. Auf­trag­ge­ber des Han­no­ve­ra­ner Insti­tuts war die „Woh­nungs­bau-Initia­ti­ve“. Dazu haben sich neben der Indus­trie­ge­werk­schaft Bau­en-Agrar-Umwelt der Bund Deut­scher Bau­meis­ter, Archi­tek­ten und Inge­nieu­re, die Deut­sche Gesell­schaft für Mau­er­werks- und Woh­nungs­bau und der Bun­des­ver­band Deut­scher Bau­stoff-Fach­han­del zusam­men­ge­schlos­sen. Insti­tu­tio­nen, die von mehr Bau­tä­tig­keit pro­fi­tie­ren würden.

 

Matthias Günther, Chef des Pestel-Instituts.

Mat­thi­as Gün­ther, Chef des Pestel-Instituts.

Mat­thi­as Gün­ther ficht der Gegen­wind des Ver­ban­des nicht an: „Erst lesen und anschlie­ßend auf­re­gen – wenn noch was zum Auf­re­gen bleibt – wäre dem Ver­band drin­gend anzu­ra­ten“, stellt er fest. Schließ­lich habe sein Insti­tut kei­nes­wegs gefor­dert, über­all neue Sozi­al­woh­nun­gen zu bau­en. Auch nicht in der Regi­on Hil­des­heim: „Für wei­te Tei­le des Land­krei­ses Hil­des­heim mit einem Leer­stand in einer Grö­ßen­ord­nung von sechs bis acht Pro­zent des Woh­nungs­be­stan­des ist der Neu­bau sicher nicht die ers­te Wahl.“ Ohne­hin sei die gan­ze Ana­ly­se auch lang­fris­tig zu ver­ste­hen – der demo­gra­fi­sche Wan­del wer­de die Nach­fra­ge nach klei­nen, güns­ti­gen Woh­nun­gen stei­gern, mög­lichst barrierefrei.

 

Matthias Kaufmann, Chef der Kreiswohnbau.

Mat­thi­as Kauf­mann, Chef der Kreiswohnbau.

Kreis­wohn­bau-Chef Mat­thi­as Kauf­mann, des­sen Unter­neh­men mit 4300 Woh­nun­gen der größ­te Ver­mie­ter vor Ort ist, geht auf die Stu­die detail­lier­ter ein als sein Dach­ver­band: Er stellt fest: „In allen Berei­chen in Stadt und Land­kreis liegt unse­re Durch­schnitts-Mie­te nied­ri­ger als das Maxi­mum, das eine Sozi­al­woh­nung kos­ten darf.“ Gera­de bei güns­ti­ge­ren Woh­nun­gen sei die Leer­stands-Quo­te dop­pelt so hoch wie ins­ge­samt. Ins­ge­samt hiel­ten sich Ange­bot und Nach­fra­ge die Waa­ge, ein Defi­zit las­se sich nicht fest­stel­len. In einem zumin­dest dürf­ten Kauf­mann und Gün­ther einig sein: Auch der Kreis­wohn­bau-Chef sieht lang­fris­tig einen Bedarf für mehr klei­ne und bar­rie­re­freie Woh­nun­gen in Stadt und Landkreis.

 

Stichwort: Sozialwohnung

Mit Sozi­al­woh­nung ist eine Woh­nung gemeint, in der Inha­ber eines soge­nann­ten Wohn­be­rech­ti­gungs­scheins, bes­ser bekannt als B-Schein, woh­nen. Dafür gel­ten Miet­ober­gren­zen, im Süd­kreis 4,70 Euro pro Qua­drat­me­ter, in der Stadt und im Nord­kreis rund 4,90 Euro pro Qua­drat­me­ter. Bis zu die­sen Sum­men über­neh­men Job­cen­ter oder ande­re Trä­ger – der B-Schein kann zum Bei­spiel auch für Gering­ver­die­ner, Rent­ner mit Grund­si­che­rung gel­ten – die Miet­kos­ten. Bedin­gung aller­dings auch: Der Mie­ter sucht sich „ange­mes­se­nen“ Wohn­raum – es gibt Richt­li­ni­en, wie groß je Bewoh­ner eine Woh­nung dann sein darf. Als Ein­kom­mens­gren­zen gel­ten laut Infor­ma­ti­ons-Por­tal www.wohnberechtigungsschein.net ein Steu­er-Brut­to von 12000 Euro im Jahr für eine und 18000 Euro für zwei Per­so­nen. Das Kin­der­geld zählt zum Bei­spiel nicht zum Ein­kom­men, eben­so darf der Arbeit­neh­mer- Pausch­be­trag abge­setzt wer­den. Für Kin­der oder zu pfle­gen­de Ange­hö­ri­ge kön­nen Betrof­fe­ne eben­falls Kos­ten abset­zen. Den B-Schein stel­len die Kom­mu­nen aus, er gilt für die Dau­er von einem Jahr ab Aus­stel­lung. (abu)

 

Quel­le: Hil­des­hei­mer All­ge­mei­ne Zei­tung, 24. Okto­ber 2012

Veröffentlicht unter 2012