Werbung mit Charlitas Zimmer
„Wann ziehst du ein?“ Hildesheim Marketing lässt Zimmer von Familien auf Plätzen aufbauen
Hildesheim (cha). Ihr Bett, ihr Schreibtisch, ihr Schrank, ihre Puppenstube. Die sechsjährige Charlita strahlt von einem Ohr zum anderen. Fast ihr komplettes Kinderzimmer steht mitten auf dem Platz vor der Michaeliskirche. „Das ist toll“, sagt sie gestern auf dem neuen Pflaster des Welterbebandes, während sie wieder und wieder in die Kamera von Volker Hanuschke lacht. Der Fotograf hält die ungewöhnliche Szene, die sich dort am Fuße der Kirche abspielt, mit seinem Arbeitsgerät fest.
Mit dem Ergebnis wollen Hildesheim Marketing und die Hildesheimer Baugesellschaften ab Herbst in der Region Hannover für Hildesheim werben. Unter dem Motto „Wann ziehst du ein?“ wollen sie Menschen aus der Landeshauptstadt und dem hannoverschen Umland auf die Lebensqualität in Hildesheim aufmerksam machen. Die Kampagne, die ab September mit Plakaten und Zeitungsannoncen gestartet wird, ist das größte Projekt des neuen Themenjahres „Leben in Bewegung“. Sie soll rund 60 000 Euro kosten.
Bei Hildesheim Marketing bemüht man sich, keinen Zusammenhang zwischen dem gerade erlittenen Verlust des Großstadtstatus und der Kampagne zu konstruieren. „Wir hoffen schon, dass sie in Hannover wahrgenommen wird“, sagt Hildesheim-Marketing-Geschäftsführer Lothar Meyer-Mertel. „Aber es soll keine aggressive Guerilla-Kampagne werden.“
Trotzdem haben sich seine Projektleiterin Anke Persson und die drei beteiligten Wohnungsbaugesellschaften gbg, Kreiswohnbau und Beamtenwohnungsverein einiges einfallen lassen, um jede Menge Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das Fotoshooting mit Charlita, ihrem dreijährigen Bruder Gianluca, Mutter Kathrin und Vater Milano Werner ist gestern Nachmittag der Auftakt für eine ganze Reihe ähnlicher Aktionen. Am heutigen Donnerstag präsentiert sich eine Familie samt Wohnzimmer ab 15 Uhr auf dem Marktplatz. Eine gute Stube in Hildesheims guter Stube sozusagen. Am Freitag fotografiert Hanuschke zwei Studentinnen auf dem Platz vor dem Stadttheater. Die beiden lassen ihr Schlafzimmer in einem gbg-Wohnheim für die städtische Werbung ab- und gegen 17 Uhr am Theater wieder aufbauen. Und am Mittwoch, 12. Juni, wird ab 15 Uhr ein privates Badezimmer auf dem Gelände der Jowiese aufgebaut. Zuschauer sind jedes Mal gern gesehen. Auf die Plakate und Postkarten kommen allerdings nur die Familien, die im Vorfeld ausgewählt wurden. Dabei mussten die Beteiligten mitunter clever vorgehen. Jemanden zu finden, der sein Schlafzimmer „opfert“, sei etwa schwer gewesen, heißt es von gbg- Sprecher Frank Satow. Erst eine Facebook-Anfrage führte zum Erfolg.
Aber wie ist es für eine Familie, einen Teil des Privatlebens auf einem öffentlichen Platz auszubreiten. „Ich habe von Anfang an gesagt, dass unser Schlafzimmer nicht in Frage kommt“, erzählt Milano Werner, der auch Mitarbeiter der Kreiswohnbau ist. Seine Tochter Charlita war zunächst etwas skeptisch. „Sie dachte, dass ihr Zimmer am Ende weg ist“, sagt der 34-Jährige. Dass dies nicht so ist, dafür sorgt gestern eine beauftragte Spedition. Mitarbeiter bauen bei Werners in Itzum alles ab – und am Ende des Tages auch wieder auf.
Die beiden Familien-Katzen Pino und Loui, die ihnen beim Abbau um die Beine streichen, müssen aber zu Hause bleiben. Sie sind schließlich keine Kinderzimmer-Katzen.
Quelle: Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 06. Juni 2013