27. Juli 2015

Neustart unter Mieter

Kreiswohnbau: Zusammenlegung der Nachbarschaftstreffs im Argentum / Kipphut-Mieter wenig vertreten / Johanniter leiten Betrieb

Von Vik­to­ria Hübner

SARSTEDT. Aus zwei mach’ eins: Nach­dem die Kreis­wohn­bau Hil­des­heim den Nach­bar­schafts­treff am Kipp­hut zum Jah­res­en­de 2014 unter Pro­test geschlos­sen hat, fei­er­te die kom­mu­na­le Bau­ge­sell­schaft nun die Zusam­men­füh­rung der eins­ti­gen Ein­rich­tung mit dem Miet­ertreff im Argen­tum Am Ried. Rund 40 Mie­ter der Kreis­wohn­bau und Gäs­te wie Bür­ger­meis­te­rin Hei­ke Brenn­ecke und SPD-Frak­ti­ons­chef Klaus Bruer waren der Ein­la­dung gefolgt, doch nur weni­ge Bewoh­ner des Kipp­hu­ts kamen vor­bei. Obwohl nur etwa 800 Meter zwi­schen den bei­den Stand­or­ten lie­gen, schreckt der Weg doch eini­ge ab. Fin­det zumin­dest Char­lot­te Hundt.

 

Die 78-Jäh­ri­ge gehör­te dem Nach­bar­schafts­treff am Kipp­hut an, orga­ni­sier­te unter ande­rem regel­mä­ßi­ge Früh­stücks­tref­fen, Bin­go-Nach­mit­ta­ge und Aus­flü­ge. „Das war dort oben eine schö­ne Gemein­schaft“, schwärmt Hundt immer noch. Zwölf bis 15 Per­so­nen gehör­ten sei­ner­zeit dem har­ten Kern an, der immer zusam­men­kam – und nicht nur Mie­ter der Kreis­wohn­bau. Denn damals wie heu­te sol­len die Treff­punk­te allen Men­schen aus dem Vier­tel offen­ste­hen. So sieht es das Kon­zept der Kreis­wohn­bau vor. Eben Nach­bar­schafts­pfle­ge. Den neu­en Treff im Argen­tum besu­chen mitt­ler­wei­le aber nur noch sechs Frau­en und Män­ner aus dem Kipphut-Quartier.

 

Denn es ist etwas ande­res, wenn die Bewoh­ner der Hoch­häu­ser am Kipp­hut erst einen stram­men Fuß­weg zurück­le­gen müs­sen, um zusam­men­zu­kom­men, als ein­fach nur ins Erd­ge­schoss des eige­nen Domi­zils zu mar­schie­ren, sagt Hundt. So sei­en eini­ge Mie­ter etwa auf Rol­la­to­ren ange­wie­sen. Kreis­wohn­bau-Geschäfts­füh­rer Mat­thi­as Kauf­mann hat­te Ende ver­gan­ge­nen Jah­res einen Bus­dienst in Aus­sicht gestellt (der Sar­sted­ter Anzei­ger berich­te­te). Die­sen gibt es bis­lang noch nicht, sagt Ute Hop­pe von der Kreis­wohn­bau. „Wenn die Nach­fra­ge aber da ist, krie­gen wir das auch geregelt.“

 

Ande­re wie­der­um scheu­en sich vor dem neu­en Treff­punkt auf­grund sprach­li­cher Bar­rie­ren, erklärt Hundt. „Auf dem Kipp­hut woh­nen auch rus­sisch­spra­chi­ge Men­schen, die wegen sprach­li­cher Defi­zi­te eine Hemm­schwel­le haben.“ Dabei müss­te das eigent­lich nicht sein. „Wir sind herz­lich emp­fan­gen wor­den“, berich­tet Hel­la Rei­chardt. Die 75-Jäh­ri­ge gehört zur Kipp­hut-Dele­ga­ti­on. Von Distanz kön­ne sie nicht spre­chen. Dabei war sie – wie auch Char­lot­te Hundt – „eigent­lich stock­sauer“, dass ihr Treff­punkt am Kipp­hut geschlos­sen wur­de. Dass der Stand­ort eigent­lich nur vor­über­ge­hend von der Kreis­wohn­bau geplant gewe­sen sei, wie Kauf­mann beton­te, sei ihnen nicht bewusst gewe­sen. Des­halb schwo­ren sie sich anfangs: „Ins Argen­tum? Da gehen wir nicht hin.“ Doch letzt­lich gaben die bei­den Senio­rin­nen der neu­en Ein­rich­tung eine Chan­ce. „Wir haben uns ganz gut ein­ge­lebt“, resü­miert Hundt. Mitt­ler­wei­le über­nimmt sie auch wie­der wie frü­her die Pro­gramm­ge­stal­tung mit. Auch Bür­ger­meis­te­rin Hei­ke Brenn­ecke sprach das The­ma in ihrer Begrü­ßungs­re­de an: „Der eine oder ande­re bedau­ert sicher­lich die Schlie­ßung des Nach­bar­schafts­treffs am Kipp­hut, aber ich hof­fe, dass alle die neue Situa­ti­on akzep­tie­ren kön­nen.“ Sie wün­sche sich ein „bun­tes Mul­ti-Kul­ti“ aus Mie­tern aller Bevöl­ke­rungs­schich­ten und deren Nach­barn noch dazu. Für den lau­fen­den Betrieb im Nach­bar­schafts­treff am Ried ist Katha­ri­na Boem­ke-Szam­o­cki von der Johan­ni­ter-Unfall-Hil­fe (JUH) ver­ant­wort­lich. Im aktu­el­len Pro­gramm ste­hen Ver­an­stal­tun­gen wie eine Kaf­fee- und Klön­run­de, Gedächt­nis­trai­ning, der Besuch des Hei­mat-Muse­ums, Spiel­aben­de sowie Sport-, Musik-, Koch- und Früh­stücks­events. Den Kipp­hut-Treff betrieb die Kreis­wohn­bau noch gemein­sam mit der Cari­tas. „Wir haben mit der Cari­tas und den Johan­ni­tern ver­han­delt, aber wir kamen die­ses Mal mit der Cari­tas nicht auf einen Nen­ner“, erklärt Ute Hop­pe. Der Vor­teil bei den Johan­ni­tern sei außer­dem, dass sie im Argen­tum die tech­ni­sche Betreu­ung mit dem AAL-Sys­tem (Ambi­ent Assis­ted Living = selbst­be­stimm­tes Leben durch inno­va­ti­ve Tech­nik) bereits über­nom­men haben. Gemein­sam mit der Deut­schen Tele­kom AG betrei­ben sie die­se moder­ne Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Dienst­leis­tungs­platt­form. „Da ist es doch sinn­voll, die Auf­ga­be gleich an die Johan­ni­ter mit zu übergeben.“

 

Momen­tan ist das Argen­tum kom­plett belegt, 33 Bewoh­ner leben dort in den 25 Woh­nun­gen. „Eine Gemein­schaft zu haben, ist den Men­schen sehr wich­tig“, sagt Lei­te­rin Boem­ke-Szam­o­cki. So sei ein Mie­ter nach dem Tod sei­ner Frau viel schnel­ler ins Leben zurück­ge­kom­men. Auch Kreis­wohn­bau-Chef Kauf­mann betont den Nut­zen der Ein­rich­tung inklu­si­ve Nach­bar­schafts­treff: „Wer sich kennt, fühlt sich auch siche­rer.“ Den Gäs­ten spen­dier­te die Kreis­wohn­bau einen kos­ten­lo­sen Grill-Nach­mit­tag mit der Cate­ring-Fir­ma But­schies, den Hop­pe orga­ni­siert hat­te. Damit lös­te Kauf­mann sein Ver­spre­chen ein, ein Fest zuge­ben, wenn der neue Nach­bar­schafts­treff steht. Um Geld ging es nur hin­sicht­lich des guten Zwecks: So sam­mel­ten die Anwe­sen­den für die Hin­ter­blie­be­nen des tra­gi­schen Quad­un­falls in Itz­um, bei dem ein 42-jäh­ri­ger Vater und sein zehn­jäh­ri­ger Sohn ihr Leben las­sen mussten.

 

Quel­le: Sar­sted­ter Anzei­ger der Hil­des­hei­mer All­ge­mei­nen Zei­tung, 25. Juli 2015

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