Frische Brötchen und Eierwärmer
Der Frühstückstisch im neuen Nachbarschaftstreff hat sich schon gefunden / Freitag Offene Tür
Sarstedt (ph). Heinz Rudnik hat im Lotto gewonnen. Zwar nur ein paar Euro, aber er gibt beim gemeinsamen Frühstück dennoch einen aus. So ist das eben unter Nachbarn im ersten Sarstedter Nachbarschaftstreff am Kipphut. Kommenden Freitag können sich alle beim Tag der Offenen Tür direkt informieren.
Rot gestrichen ist die Wand, an der Blumenbilder hängen. Am langen Tisch sitzen ein paar Leute und frühstücken. Was wie ein Familientreffen aussieht, vereint Leute, die nur eins gemeinsam haben: Sie sind Mieter der Kreiswohnbau und Nachbarn. Die meisten wohnen im Hochhaus Am Kipphut 6, und sie sind der gesellige Teil der Mieter. Da geht es munter zu und da wird kein Blatt vor den Mund genommen. „Wir beißen hier nicht nur ins Brötchen, wir diskutieren richtig“, sagt Holger Hoseas.
Da geht es auch mal zur Sache in Sachen Vermieter, weil die Haustür mal wieder klemmt oder die Badezimmertür kaputt ist. Da spricht man aber auch über die Leute, wie das unter Nachbarn so ist. Warummuss die Mieterin links oben jetzt mit der Gehhilfe los? Ist der erkrankte Sohn schon wieder gesund? Gibt es Probleme im Haus? Neulich haben sie im Gespräch festgestellt, dass ein Briefkasten verdächtig lange überquoll – um dann erleichtert zu erfahren, dass der Mieter nur im Urlaub war. Schon jetzt, meint Hoseas, ist der Nachbarschaftstreff wichtig für die Bewohner. „Sonst trifft man sich im Flur, sagt Hallo, guten Tag – und läuft wieder auseinander.“ Beim Frühstück kommt man sich bei Kaffee, Tee, Nutella, Marmelade und Aufschnitt schnell näher.
Dafür sorgt übrigens Nelli Suprun, der gute Geist des Hauses. Sie freut sich, wenn die Besucher sich mit einem Zettel im Briefkasten anmelden, dann besorgt sie die Zutaten fürs Frühstück, das meist Freitags um 9 beginnt. Das tut sie zuverlässig, immer mit dem Fahrrad. Und das auch bei Blitz und Unwetter, wie die Runde am Freitag anerkennend feststellt. „Als wir um 9 Uhr da waren, standen schon heißer Kaffee und frisch gekochte Eier auf dem Tisch.“ Die Frühstücksgäste sind mit zwei Euro Spende dabei (Freitag zahlte Lotto). Im Haus leben noch viele Bewohner, die berufstätig sind und keine Zeite haben.
Manche zieren sich auch oder leben zurückgezogen. „Wer nicht kommt, ist selber schuld“, sagt Hoseas. Er ist mmer dabei,kommt nicht wegen Brötchen oder Nutella, sondern wegen der Möglichkeit zum Reden. Finanziert wird der Nachbarschaftstreff von der Kreiswohnbau, die mit ähnlichen Einrichtungen in Bad Salzdetfurth und Gronau gute Erfahrungen gemacht hat. „Wir wollen dazu beitragen, dass die Stadt zukunftsfähig wird und die Lebensqualität vor Ort erhalten bleibt“, sagt Geschäftsführer Matthias Kaufmann.
Betreut wird der Treff von der Caritas. Jürg Pieprek: „Das Programm hier soll viele Menschen erreichen“, man wolle nicht so etwas wie einen reinen Seniorentreff. Pieprek erhofft sich Anregungen für künftige Aktivitäten auch vom Tag der Offenen Tür am kommenden Freitag. Vorträge könnte man anbieten, Dias oder Filme zeigen, Ausflüge und Wanderungen unternehmen, vielleicht eine Hausaufgabenhilfe auf die Beine stellen.
Der Rahmen steht, nun hoffen Caritas und Kreiswohnbau auf „bürgerschaftliches Engagement“ in dem Nachbarschaftszentrum. Wie das aussehen kann, zeigt eine Episode am Rande des Frühstücks. Auf dem Tisch stehen die Frühstücks-Eier in weißen Schalen. Holger Hoseas: „Wir könnten ein paar Eierwärmer gebrauchen, wollen wir sie selbst häkeln?“ Darauf melden sich gleich zwei Damen: „Wir haben zu Hause eine ganze Schublade voll davon, alle gehäkelt und mit Hühnchenköpfen.“ Schon ist das Problem gelöst.
Pressemitteilung der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung vom 23.08.2011