20. Januar 2020

Das Ostend ist so gut wie ausverkauft

Stadt ist mit dem Baugebiet zufrieden – auch wenn sie an manchen Stellen Lehrgeld zahlen muss

Im Ostend gibt es 75 Grund­stü­cke. Auf ihnen sol­len 21 Mehr­fa­mi­li­en­haus-Blö­cke, 42 Rei­hen- und Stadt­häu­ser sowie sechs Gebäu­de ent­ste­hen, in denen es sowohl Gewer­be als auch Woh­nun­gen geben soll. Dazu kom­men zusam­men sechs Flä­chen für die Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten gbg, kwg und Beam­ten­woh­nungs­ver­ein, die eben­falls unter ande­rem Mehr­fa­mi­li­en­häu­ser pla­nen, in denen zusam­men etwa 6 Sozi­al­woh­nun­gen zu fin­den sein wer­den. Foto: Chris Gossmann

Von Rai­ner Breda

Hil­des­heim. Die Kor­ken las­sen sie nicht knal­len. Doch ihre Freu­de dar­über, wie es im Ostend läuft, ist Stadt­bau­rä­tin Andrea Döring und Pla­nungs­amts­che­fin San­dra Brouër im Gespräch mit der HAZ sehr wohl anzu­mer­ken. Und die bei­den Spit­zen- Frau­en aus dem Bau-Dezer­nat haben ja auch allen Grund dazu.

 

„Die Geschwindigkeit bei der Vermarktung kann sich sehen lassen.“

Sandra Brouër, Leiterin des Stadtplanungsamtes

 

Denn die Stadt hat so gut wie alle Flä­chen in dem Bau­ge­biet zwi­schen der Ost­stadt und der Sena­tor-Braun- Allee ver­ge­ben, die Ver­mark­tung ist im Grun­de abge­schlos­sen. „Wir haben 74 Grund­stü­cke in gut zwei Jah­ren ver­kauft – die Geschwin­dig­keit kann sich ja wohl sehen las­sen“, fin­det Brouër.

 

So will die Han­sea­ti­sche Immo­bi­li­en Treu­hand bauen.

Gera­de erst ist die Tin­te unter dem Kauf­ver­trag über ein 2300- Qua­drat­me­ter-Grund­stück im Süd­wes­ten der Sied­lung getrock­net. Die Han­sea­ti­sche Immo­bi­li­en Treu­hand hat sich das Bau­feld 17, eines von ins­ge­samt 24 auf dem eins­ti­gen Kaser­nen­are­al, gesi­chert. Der Stader Bau­trä­ger und Pro­jekt­ent­wick­ler will dort elf Rei­hen­häu­ser mit je 145 Qua­drat­me­tern Wohn­flä­che errich­ten, alle­samt mit begrün­ten Flachdächern.

 

Die Bau­ge­neh­mi­gung ist bean­tragt, die ers­ten Käu­fer sol­len noch in die­sem Jahr ein­zie­hen, kün­digt das Unter­neh­men an, das so schnell wie mög­lich los­le­gen will und das Ostend als Ein­stieg in Hil­des­heim betrach­tet. „Wir pla­nen wei­te­re Pro­jek­te in der Stadt“, kün­digt Geschäfts­füh­rer Chris­toph Wink­ler von Moh­ren­fels an.

 

An vier Stel­len auf dem knapp zwölf Hekt­ar gro­ßen frü­he­ren Mili­tär- Are­al lau­fen sogar schon Bau­ar­bei­ten. So rich­tet der Beam­ten­woh­nungs­ver­ein eine der bei­den frü­he­ren Sol­da­ten­un­ter­künf­te an der Sena­tor-Braun-Allee, die aus Macken­sen-Kaser­nen-Zei­ten ste­hen geblie­ben sind, für das Heli­os- Kli­ni­kum her. Im Nor­den hat die gbg ange­fan­gen, im Süden und Süd­os­ten neh­men zwei kom­bi­nier­te Gewer­be- und Wohn­ge­bäu­de Gestalt an.

 

Auch die rund 300 Meter lan­ge Lärm­schutz­wand zwi­schen Bahn­glei­sen und den geplan­ten Ein­fa­mi­li­en­häu­sern im Wes­ten steht bereits. Das Bau­werk ist in Höhe der Goe­the­stra­ße der­zeit noch auf einer Län­ge von 42 Metern unter­bro­chen: Hier soll der Bahn­über­gang für Fuß­gän­ger und Rad­fah­rer zur Ost­stadt ent­ste­hen, der Bau­be­ginn lässt aller­dings noch auf sich war­ten. Denn die Geneh­mi­gung des Eisen­bahn­bun­des­am­tes steht aus. Ob es denn bei der Ein­schät­zung der Stadt bleibt, es gehe 2020 los? Da zuckt Brouër mit den Schultern.

 

Ins­ge­samt 31 Grund­stücks­ver­käu­fe sind nota­ri­ell beur­kun­det, fünf wei­te­re ste­hen vor dem Abschluss. Für 21 Flä­chen erstel­len die Besit­zer der­zeit das Bau­kon­zept, für 17 Bau­plät­ze läuft die Abstim­mung zwi­schen Käu­fern und der Verwaltung.

 

Für letz­te­re bedeu­tet das beson­de­re Ver­ga­be­ver­fah­ren, das die Stadt am Ostend erst­mals anwen­det, einen gro­ßen Auf­wand: Zum Zuge kamen nicht wie sonst in vie­len Bau­ge­bie­ten üblich die Höchst­bie­ten­den (für alle Grund­stü­cke gal­ten vom Rat beschlos­se­ne Fest­prei­se), son­dern die Anbie­ter mit der höchs­ten Kreativität.

 

Das Ziel, auf die­se Wei­se gestal­te­ri­sche Viel­falt zu schaf­fen, wer­de erreicht, betont Döring. Doch die Her­an­ge­hens­wei­se brin­ge einen erheb­li­chen Bera­tungs­be­darf mit sich. Der sich aber gelohnt habe, beto­nen sie und Brouër uni­so­no. Denn so sei­en die Kon­zep­te bau­ge­neh­mi­gungs­reif. „Wir haben die Abstim­mung im Ver­fah­ren nach vor­ne ver­scho­ben“, erklärt die Pla­nungs­amts­che­fin. Schließ­lich kön­ne die eine Abtei­lung im Rat­haus schlecht etwas unter­sa­gen, wor­an eine ande­re vor­her mit­ge­ar­bei­tet habe.

 

Aller Begeis­te­rung zum Trotz: An man­chen Stel­len lief es auch im Ostend nicht rund, wie Döring und Brouër ein­räu­men. So ist der Plan, drei Bau­fel­der von gro­ßen Bau­ge­mein­schaf­ten ent­wi­ckeln zu las­sen, mehr oder min­der geschei­tert. Ein Inves­tor, so lau­te­te die Idee, soll­te jeweils eine Tief­ga­ra­ge und einen Innen­hof für einen Mehr­fa­mi­li­en­haus­block schaf­fen, den er gemein­sam mit klei­ne­ren Part­nern bau­en soll­te. „Wir hat­ten an Hand­werks­be­trie­be, ande­re Fir­men oder pri­va­te Geld­an­le­ger gedacht“, erklärt Brouër.

 

Doch die Abstim­mung zwi­schen den Inter­es­sen­ten erwies sich als so schwie­rig, dass die Stadt zwei der drei Bau­fel­der am Ende doch als Paket an einen Bie­ter ver­kauf­te. „Scha­de“, fin­det Döring. Die Ver­wal­tung wer­de auf­grund die­ser Erfah­rung beim nächs­ten Bau­ge­biet an der Pap­pel­al­lee auf die­se Vari­an­te ver­zich­ten. Auch kos­ten­freie Optio­nen für Bau­plät­ze soll es nicht mehr geben; künf­tig kos­tet das Reser­vie­ren eine Gebühr, die beim Kauf ver­rech­net wird. „Das schafft mehr Ver­bind­lich­keit“, erklärt Brouër. Am Ostend hat­ten Inter­es­sen­ten in meh­re­ren Fäl­len die sechs­mo­na­ti­ge Opti­on trotz Ver­län­ge­rung ver­fal­len las­sen. Auch auf den Ansatz, Mehr­fa­mi­li­en­häu­ser für Sozi­al­woh­nun­gen mit Tief­ga­ra­gen aus­zu­stat­ten, will die Stadt in Zukunft ver­zich­ten. „Das lässt sich wirt­schaft­lich nicht dar­stel­len“, sagt Brouër.

 

Doch ansons­ten ging eben vie­les im Ostend glatt – wes­halb die Pla­nungs­amts­che­fin zuver­sicht­lich ist, auch das letz­te der 75 Grund­stü­cke zu ver­kau­fen. Aller­dings erst, wenn es an der Zeit ist: Die an der Sena­tor- Braun-Allee gele­ge­ne Flä­che dient vor­aus­sicht­lich noch drei Jah­re als Baustellenzufahrt.

 

Eine Abrech­nung für das Bau­ge­biet dürf­te noch län­ger auf sich war­ten las­sen. Sie wird nach Anga­ben der Ver­wal­tung kom­pli­ziert, was unter ande­rem am Ein­satz der Städ­te­bau­för­der­mit­tel für das Gelän­de lie­ge. Das Rat­haus hofft nach der ursprüng­li­chen Vor­la­ge für den Rat auf Ein­nah­men von knapp 18 Mil­lio­nen Euro. Die Auf­wen­dun­gen sei­en aber so hoch, dass das Vor­ha­ben nicht ren­tier­lich sei, erklärt Spre­cher Hel­ge Mie­the. Daher hät­te die Stadt das Ostend ohne die För­der­mit­tel nicht bewäl­ti­gen kön­nen, betont Döring.

 

Das planen die Hildesheimer Baugesellschaften im Ostend

 

Dass im Ostend bald bis zu 1200 Men­schen leben sol­len, ist dem Gebiet noch nicht anzu­se­hen: Noch gleicht das Are­al eher einem Acker als einem Wohn­vier­tel. Neben dem Hil­des­hei­mer Archi­tek­ten And­re Seid­ler, der der­zeit im ostend zwei Büro­ge­bäu­de und Woh­nun­gen errich­ten lässt, sind es die Bau­ge­sell­schaf­ten gbg und der Beam­ten-Woh­nungs­ver­ein BWV, die in dem Neu­bau­ge­biet als ers­te aktiv sind. Und die Kreis­wohn­bau (kwg) steht bereits in den Start­lö­chern. Die Chefs der drei Gro­ßen der hie­si­gen Bau­bran­che bestä­ti­gen ent­ge­gen den zwei­feln­den Äuße­run­gen man­cher Hil­des­hei­mer, die sich wegen der wei­ter­hin feh­len­den Hoch­bau­ten wun­dern: Es gibt kei­ne Ver­zö­ge­run­gen, alles ist im Plan.

 

Da ist der Beam­ten-Woh­nungs­ver­ein BWV, der direkt an der Sena­tor-Braun-Allee eines der Bestands­ge­bäu­de saniert, umge­stal­tet und zudem einen neu­en Anbau errich­tet. Das Heli­os Kli­ni­kum wird hier auf rund 1400 Qua­drat­me­tern sowohl sei­ne bis­her im Ver­wal­tungs­ge­bäu­de auf der ande­ren Stra­ßen­sei­te unter­ge­brach­te Kran­ken­pfle­ge­schu­le wie auch die Eltern­schul­er­äu­me unter­brin­gen. Als neu­es Ange­bot wird Heli­os ein Pati­en­ten­ho­tel mit 23 Zim­mern ein­rich­ten. Im zwei­ten Schritt will der BWV zwei L-för­mi­ge Gebäu­de auf dem benach­bar­ten Bau­feld errich­ten. Dort zie­hen im Erd­ge­schoss die Dro­ge­rie­ket­te Ross­mann, ein Bio-Super­markt, ein Bäcker sowie eine Apo­the­ke und ein Restau­rant ein, in den obe­ren Stock­wer­ken sind zum einen 30 von der Cari­tas betreu­te Woh­nun­gen geplant, im ande­ren Flü­gel wird die Dia­ko­nie Him­mels­tür Büros nut­zen und inklu­si­ves Woh­nen anbieten.

Im drit­ten, an der Bahn­li­nie gele­ge­nen BWV-Bau­feld, könn­ten im Erd­ge­schoss eini­ge Büro­flä­chen ent­ste­hen, zudem ist neben Wohn­häu­sern der Neu­bau einer Kita geplant, deren Trä­ger noch nicht fest­steht. Das vier­te und letz­te Bau­feld ist über­wie­gend für Woh­nun­gen vorgesehen.

 

Auf einem ande­ren Bau­feld hat die Bau­ge­sell­schaft gbg unter­des­sen die Tief­bau­ar­bei­ten für ein Gebäu­de mit ins­ge­samt 59 Miet­woh­nun­gen weit­ge­hend abge­schlos­sen. Der Zustän­di­ge Ste­phan Per­sin war in den ver­gan­ge­nen Wochen ins­be­son­de­re mit dem The­ma Grund­was­ser beschäf­tigt: Denn das steht in dem Gebiet rela­tiv hoch. nicht so sehr, dass es ernst­haf­te Pro­ble­me macht und zu ekla­tan­ten Ver­zö­ge­run­gen führ­te, aber man müs­se es sehr genau im Blick behal­ten, sagt gbg-Spre­cher Frank Satow. An drei Mess­punk­ten wird der Was­ser­pe­gel rund um den Roh­bau stän­dig mit Son­den über­wacht. Nun soll es mit dem Hoch­bau rasch vor­an­ge­hen, kün­digt Satow an. Und auf Tem­po hofft man bei der Bau­ge­sell­schaft auch ins­ge­samt: „Mit Blick auf die Gesamt­ent­wick­lung des Bau­ge­bie­tes Ostend wünscht sich die gbg mög­lichst schnell wei­te­re bau­en­de Nachbarn.“

 

Einer der Nach­barn wird die Kreis­wohn­bau (kwg) auf einem etwa 6000 Qua­drat­me­ter gro­ßen Grund­stück sein. Die hat Ende Dezem­ber, wie in ihrem ursprüng­li­chen Zeit­plan vor­ge­se­hen, den Bau­an­trag für ihr Vor­ha­ben ein­ge­reicht. ins­ge­samt 96 Woh­nun­gen will die kwg bau­en, davon sol­len 28 ver­kauft wer­den, der Rest wird ver­mie­tet, 18 sind güns­ti­ge­re Sozi­al­woh­nun­gen. Zudem lässt die kwg eine Tief­ga­ra­ge mit knapp 90 Stell­plät­zen bau­en. Das Grund­was­ser hat man auf dem Schirm, sieht dar­in aber wie die gbg auch kein ent­schei­den­des Hin­der­nis. „Es war klar, dass man dort schnell im Was­ser ist, wenn man tie­fer gräbt“, sagt kwg-Chef Mat­thi­as Kauf­mann. sein Unter­neh­men will im August 2020 mit dem Bau begin­nen, nach etwa 20 Mona­ten sol­len die Woh­nun­gen fer­tig sein. Jan

 

Lob vom Rat, Kri­tik an Sozi­al­woh­nungs­an­teil so viel Einig­keit herrscht sel­ten im Rat: alle Frak­tio­nen loben die Arbeit der Ver­wal­tung bei der Ent­wick­lung des ostend. Beson­ders die Ver­mark­tung und das Instru­ment der Grund­stücks-Ver­ga­be­kom­mis­si­on fin­den den Bei­fall der Poli­ti­ker, die in dem Gre­mi­um neben Ver­tre­tern des Rat­hau­ses und exter­nen Fach­leu­ten ver­tre­ten waren. „Das lief exzel­lent“, sag­te CDU-Frak­ti­ons­chef Ulrich Kum­me der HAZ, ähn­lich äußer­te sich Erdinc Par­lak: „Die Ent­schei­dun­gen fie­len über­wie­gend ein­stim­mig“, berich­tet der Ver­tre­ter der Grup­pe Unabhängige/ FDP. Das Bau­de­zer­nat habe „ins­ge­samt ordent­lich gear­bei­tet“, fin­det AfD-Frak­ti­ons­chef Bernd Kriesinger.

Kri­tik gibt es dage­gen am Anteil der Sozi­al­woh­nun­gen. „Der ist wie ein Eis­berg in der Son­ne weg­ge­schmol­zen“, moniert Lin­ken-Ver­tre­ter Orhan Kara, er füh­le sich über den Tisch gezo­gen. Aus der Poli­tik war ursprüng­lich eine Quo­te von 25 Pro­zent gefor­dert wor­den – dies hät­te bei den 650 Woh­nun­gen, die nun vor­aus­sicht­lich ent­ste­hen, etwa 160 Sozi­al­woh­nun­gen bedeu­tet. Tat­säch­lich wer­den es gera­de knapp 70, schätzt Pla­nungs­amts­che­fin San­dra Brouër – was immer­hin mit zehn Pro­zent noch etwas mehr ist, als sich die Stadt am Ende vor­ge­nom­men hat­te. Gleich­wohl hät­te sich unter ande­rem Grü­nen-Chef Ulrich Räbi­ger einen deut­lich grö­ße­ren Anteil an bezahl­ba­ren Woh­nun­gen gewünscht: „Das war das letz­te Bau­ge­biet, bei dem wir nicht rigo­ros eine Quo­te von min­des­tens 20 Pro­zent verlangen.“

AfD-Chef Ralf Krie­sin­ger bedau­ert, dass auch Sozi­al­woh­nun­gen in ande­ren Stadt­tei­len auf den ostend-anteil ange­rech­net wer­den konn­ten. Der SPD-Poli­ti­ker Det­lef Han­sen, Vor­sit­zen­der des Stadt­ent­wick­lungs­aus­schus­ses, hat sei­ne Stel­lung­nah­me zum ostend eher all­ge­mein gehal­ten: Das ostend sei in einem auf­wen­di­gen Ver­fah­ren mit städ­te­bau­li­chem Wett­be­werb und Grund­stücks­ver­ga­be auf­grund ein­ge­reich­ter Kon­zep­te ent­wi­ckelt wor­den, dies habe zu einem hohen Zeit­auf­wand und auch eini­gen Schwie­rig­kei­ten geführt. „ins­ge­samt sehen wir das ostend mitt­ler­wei­le auf einem guten Weg.“ Br

 

Quel­le: Hil­des­hei­mer All­ge­mei­ne Zei­tung, 20. Janu­ar 2020

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